DM 2003
Diese Diplomacy-Partie lief im Rahmen der 3. Offenen Deutschen eMail-Diplomacy-Meisterschaft 2003 auf der Datenbank von Ludomaniac.

Beginn: 10.08.2003 Ende: 18.12.2003
 
Partie DM326
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Partie auf Diplo42
 
Die Herrscher
Vorstellung der Spieler

 Axel Fleischhauer
 Burkhard Pietsch
 Frank Oschmiansky
 Mark Hachenberg
 André Ilievics
 Sascha Buhr
 Sebastian Beer

Spielleiter:
Arne Senftleben
 
Finale der eMail-Diplomacy-DM 2003

EOG von Russland (Sebastian Beer)

Schwer, zu dieser Partie noch was zu schreiben, das irgendwie von Interesse ist; hier gibt es wenig, das einer nachträglichen Erklärung bedarf. Umso erstaunlicher, dass in den Foren immer mehr Fragen nach EOGs auftauchen.Ein paar konkrete Fragen gabs ja auch, und da hab ich das Gefühl, erst mal einiges klarstellen zu müssen.Einige Punkte dazu:

1) Sind in DM 326 irreguläre Dinge passiert?

Definitiv nein. Es ist in dieser Partie nichts passiert, das den Regeln widersprochen hätte.

2) War Marks Sieg unverdient?

Auch wieder: definitiv nein. Diplomacy ist die Kunst, aus einer gegebenen Situation das Beste zu machen, und das ist Mark mit Bravour gelungen, immerhin hat er hier gewonnen.

3) Hatten Mark und Sascha ein fixes Bündnis?

Das ist wohl Ansichtssache - wie definiert sich ein 'fixes Bündnis'? Sascha und Mark beharren darauf, dass Ö/I nicht von Anfang an festgestanden ist. Für mich macht es allerdings keinen Unterschied, ob das Bündnis von Anfang an so geplant war, oder jedes Jahr neu verhandelt wurde. Wenn zwei von Anfang an bis zum Ende zusammenspielen, muss man nicht mehr diskutieren, wie fest dieses Bündnis war. Es überrascht auch nicht, dass während dem Spiel das unverrückbare I/Ö beharrlich dementiert wurde. Unverständlich finde ich, dass die beiden auch nach dem Spiel immer noch darauf bestehen, nicht fest zusammengearbeitet zu haben; die Tatsachen sprechen eine eindeutigere Sprache, und es ist ja auch nichts Ehrenrühriges, mit jemandem zusammenzuspielen, als Mittel zum Zweck ist das sogar notwendig, und Sascha und Mark sind hier immerhin Erster und Zweiter, also hats doch funktioniert.

4) Warum haben T und R nichts gegen das offensichtliche Bündnis I/Ö getan?

Diese Frage stellt sich für einen Außenstehenden vermutlich wirklich.Einerseits ist das eine Frage von Einstellung zum Spiel. Für mich war klar, dass ich in dieser Partie von sechs Feinden umgeben bin, die höchstens bereit sein werden, Zweckbündnisse einzugehen. Strategie über den menschlichen Faktor stellen, ab einem gewissen Level kann man einfach niemandem mehr so vertrauen, wie das für ein gutes festes Bündnis notwendig ist. Wer das letzte WM-Finale verfolgt hat, weiß, wovon ich schreibe.
Ich denke, dass André das ähnlich gesehen hat, jedenfalls waren wir beide sehr darauf bedacht, dem anderen keinen allzu guten Start zu ermöglichen. Ganz im Gegensatz zu I/Ö, die (besonders Mark) Züge gespielt hatten, die nur möglich sind, wenn man dem Partner bedingungslos vertraut. Mark stand dann ja auch das ganze Spiel über in entsetzlichen Positionen, die mit gesundem Risiko nichts mehr zu tun hatten, sondern einzig und allein auf Vertrauen in Sascha fußten.Das ist auch schon Grund Nummer ein, warum Ö/I hier nicht zu brechen war: sie standen von Beginn an in Positionen, die es ihnen beiden nur sehr schwer bis gar nicht erlaubten, den anderen anzugreifen. Besonders Mark.

Der Vorwurf, R/T hätte nichts versucht, um I/Ö zu trennen, ist natürlich absurd. Sowohl ich (zwei Mal) als auch André hätten Sascha eine längerfristige Zusammenarbeit angeboten, und wohl auch entsprechende Zusagen erhalten. Obwohl das immer ein zweischneidiges Schwert ist: mit einem Teil von einem sehr festen Bündnis zusammenzuarbeiten. Irgendwann kommt nämlich meistens der Punkt, an dem man dann plötzlich der überflüssige Dritte im Bunde ist.Es war für T und R allerdings ohnehin unmöglich, längerfristig mit Sascha zu kooperieren. 'Bündnisse' mit T oder R dienten Ö lediglich dazu, herauszufinden, wie der 'Partner' zieht, um dann die eigene Stellung zu verbessern, und dem 'Partner' Zentren abzuknöpfen. Wiederum nichts ehrenrühriges, aber ein Grund dafür, dass es zwischen T/Ö und R/Ö nicht klappen konnt; zumal André und ich Spieler sind, die man vielleicht einmal so drankriegt, aber nicht zweimal (auch wenns beim zweiten Mal vielleicht ernst gemeint wäre).

Das erklärt auch, warum zumindest ich keine tollen Angebote mehr an Sascha machen konnte. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er ernsthaft darauf eingehen würde, sondern sich vielmehr die angebotenen Goodies schnappen, und den Krieg gegen mich in verbesserter Stellung fortsetzen würde.

Die beiden sicher gut gemeinten Ratschläge an André und mich im Forum lauteten:
a) Ihr hättet I/Ö doch nur Angebote machen müssen; mit Goodies fängt man Verbündete.
b) Wie kann man zwei Mal mit demselben Trick hereingelegt werden? You fool me once - shame on you. Fool me twice - shame on me.

Unser Dilemma war also, entweder Vorschlag a) anzuwenden (also verlockende Angebote zu machen), und uns für den Fall, dass das nur ausgenützt wird, b) über uns ergehen zu lassen, oder a) nicht anzuwenden um b) zu entgehen, und damit auf enbensolches Unverständnis zu stoßen. Vielleicht wird jetzt klar, warum sich die Sache für mich so dargestellt hat, dass es unmöglich war, I/Ö zu spalten.

5) Wenn man I/Ö schon nicht spalten konnte, warum wurde T/R dann nicht militärisch mit ihnen fertig?

Hier sind zwei Gründe anzuführen: einerseits müssen André und ich uns hier selbst bei der Nase nehmen, wir haben offenbar zu lange geglaubt, dass wir I/Ö spalten können, und uns dabei gegeneinander ausspielen lassen.
Zweitens hatten I/Ö/F in Frank (E) einen (unfrei)willigen Gehülfen, der mit einer (sorry) inferioren Partie I/Ö/F zu den Plätzen 1-3 verholfen hat. Frank hat den Fehler gemacht, den André und ich vermieden haben, und hat abwechselnd Mark und Burkhard immer wieder vertraut (Methode a), obwohl sie ihn immer wieder belogen und betrogen haben (Resultat b). Mindestens vier Mal ging das so; kein Wunder, dass der Mann ein wenig frustriert ist.

6) Was ist sonst noch so passiert? Wo lagen die ärgsten Fehler?

1901
Mein Zug nach Arm war natürlich potenziell gegen Osmanien gerichtet; nachdem Ö allerdings zwei Armeen aufbauen musste, konnte ich keine F Sev bauen, sondern musste meine Landkräfte stärken. Deswegen der Aufbau A War. Das Ausmaß, in dem ich André damit verärgert hatte (mit dem Zug nach Arm) war mir nicht klar. In Tri hätte ein Bounce stattfinden sollen, der nicht kam - also ging ich (richtiger Weise) von Ö/I aus, und hoffte, dass André das genauso sehen würde.

1902
Er sah es nicht so. Im Herbst hätten wir eine ideale Position gegen Ö gehabt, hätte André mir nicht Rum abgenommen. Er sah damals wohl eine potenzielle Zusammenarbeit mit Sascha. So musste ich Boh wieder auflösen, und die Offensive stockte.

1903
Beging ich denselben Fehler wie André zuvor, und vertraute Sascha. Der half mir zwar zurück nach Rum, aber anstatt es dann gut sein zu lassen, unterstützte ich ihn nach Bul. Vielleicht mein dümmster Fehler überhaupt in dieser Partie.

1904
Sascha erzählte immer noch Märchen von einem R/Ö Bündnis, und zog prompt nach Rum, das mir gehörte, angeblich, weil er mir nicht ganz vertraut hatte. Ich machte eine weitere Zusammenarbeit von einem Abzug aus Rum abhängig, und kündigte Ukr s Gal-Rum und Sev s Gal-Rum an.Sascha zog Bud s Rum-Gal und Vie s Rum-Gal, und hinterging mich somit ein zweites Mal, und das, obwohl ich ihm angekündigt hatte, dass mit einem weiteren Versuch mich zu hintergehen, jegliche Zusammenarbeit in der Partie gestorben wäre.
Zum Glück vertraute ich ihm nicht ganz (den Fehler aus 1904 F wollte ich nicht wiederholen) und zog Gal-Bud, Sev s Ukr-Rum.
Später hatte Sascha nicht verstanden, dass ich nicht unbedingt heiß auf eine weitere Zusammenarbeit mit ihm war. Ich verstehe nach wie vor nicht, was es da nicht zu verstehen gibt - wer mich derart hintergeht, gewinnt mein Vertrauen eben nicht durch schöne Worte wieder, das ist alles.

Zu dem Zeitpunkt war die Partie noch offen; die Fronten waren klar, weder I noch Ö haben, trotz oftmaliger Ankündigung, die Seiten gewechselt, I/Ö war genauso in Stein gemeißelt wie die Partie zusehends langweilig wurde. Entschieden sie hat letztlich Frank, der aus mir unbegreiflichen Gründen Burkhard immer wieder Vertrauen geschenkt hat, und das, obwohl glaube ich keiner von R/D/T/E auch nur eine einzige ehrliche Zeile aus Frankreich bekommen hatte. Normaler Weise sind das die ersten Spieler, die vom Brett müssen; nicht so hier, in 326 wurde Burkhard noch zum 3. Platz verholfen. Auch keine Meisterleistung in England (ich wette, dass Frank mir diese Zeilen nicht übel nimmt - einerseits sieht er die Sache ähnlich, wie ich seinen Äußerungen entnehme, andererseits dürfte ihm dieser knappe, trockene Stil durchaus entsprechen, wenn ich von seinen Mails ausgehe).

1906
Obwohl Frank unter Druck von Frankreich und Deutschland stand, entschied er sich, doch mal schnell NWy zu nehmen. Damit brachte er letztlich meine Linie nachhaltig zu Fall, und sich selbst auch; zwei statt einem Abbau, und Frankreich wurden wieder alle Türen geöffnet. Vielleicht der kapitalste Fehler in dieser Partie.

Das war der Todesstoß für den Widerstand gegen I/Ö/F. Der Rest der Partie war Gähnen, im Forum, bei den Komentatoren und auch zwischen den Spielern. War die erste Hälfte noch reger Mailverkehr, ICQ, etc. angesagt, kam nun... nichts mehr.

Sascha versuchte zwar eifrig, mir Rum abzuschwatzen, und verstand es überhaupt nicht, dass ich darauf wegen unserer Vorgeschichte nicht die geringste Lust hatte. Aber das hatte eigentlich mit der Partie nur noch peripher zu tun, zumal sein Vorschlag prinzipiell nicht verhandelbar war, und mich in allen Belangen übervorteilt hätte. Gegenvorschläge, in denen die Risiken gleichmäßig verteilt gewesen wären, wurden abgelehnt, daraus konnte ich nur schließen, dass eine ernsthafte Zusammenarbeit nie in seinem Sinne gewesen ist. Im Nachhinein betrachtet ist auch logisch, warum er mit mir immer so verhandelt hatte, als wäre er in der besseren Position, als gäbe es die Option R/I gar nicht. Es gab sie ja offenbar wirklich nicht, aber das konnte er mir natürlich schwer auf die Nase binden.

7) War DM 326 eine Spitzenpartie?

Vermutlich eine Geschmacksfrage und eine Frage der Vorstellung von einer Spitzenpartie. Für meine Begriffe war DM326 keine sehr hochklassige Partie. Offenbar auch nicht für die der Kommentatoren und einiger Zuseher. Schade, aber die Gelegenheit, in einer doch eher exponierten Partie vielleicht ein gutes Stück Diplomacy mit spannenden Wendungen und hintergründigen Intrigen hinzulegen wurde hier verpasst - dafür hat Mark jetzt gewonnen. So eine Faszination hat unsere Partie ausgestrahlt, dass sieben freiwillige Kommentatoren es insgesamt auf gezählte 21 Kommentare(!) zu DM 326 gebracht haben. Das sind drei Stück pro Nase, also im Schnitt ein Kommentar pro acht Züge und Kommentator. Der letzte Kommentar zum Spielgeschehen stammt aus dem Herbst 1907.

Trotzdem soll das die Leistung der drei Sieger nicht schmälern. Schließlich ist die Unterhaltung von Publikum und Kommentatoren (und Mitspielern) nicht Sinn und Zweck einer DM. Auch ein Fußball-WM-Finale kann ein Scheißspiel sein, und trotzdem ist der Sieger Weltmeister.

8) Sind die Verlierer hier 'schlechte Verlierer'?

Auch das soll jeder so halten wie er meint. Ich denke, es ist gestattet, auch wenn man verliert, seiner Enttäuschung über Dinge, die im Spiel passiert sind, und die nicht so gelaufen sind, wie man das gerne hätte, Ausdruck zu verleihen. Ich denke weiters, dass das auch dann möglich sein muss, wenn diese Dinge diejenigen betreffen, die gewonnen haben. Dass auch hier (z.B. im Forum) die Universalkeule 'Schlechter Verlierer' geschwungen wurde, als kritische Töne am Spiel und der für einige damit verbundenen Langeweile laut wurden, verwundert nicht, das ist mittlerweile leider üblich, wenn jemand angesichts eines Sieges nicht in Ehrfurcht erstarrt, sondern versucht Enttäuschung und Kritik zu artikulieren. Das heißt ja nicht, dass derjenige den Siegern ihren Sieg missgönnt, oder den Handschlag nach der Partie verweigert oder den Trikot-Tausch ausschlägt. Umkehrschluss wäre, dass ich jede Partie super finden müsste, die ich verloren habe, um nicht als 'schlechter Verlierer' abgewatscht zu werden, und das sehe ich nicht. Und ja, ich spreche aus Erfahrung.

9) Und was kann man aus der Partie lernen?

Besonders zwei grobe, kapitale Fehler hab ich seit Beginn gemacht, die ich mir fest vorgenommen habe, nie mehr zu wiederholen:

a) Ich habe mich wieder einmal von meiner Idealvorstellung eines Diplomacy-Spiels täuschen lassen. Wo, wenn nicht in so einer Partie, habe ich gedacht, kommen sieben Spieler zusammen, denen das Messer lose sitzt, die nicht Freund noch Feind kennen, sondern nur ihre eigenen Interessen im Sinn haben, und dementsprechend handeln und verhandeln. Denen das strategische Moment vor das menschliche geht. Und wieder einmal bin ich mit dieser Annahme Baden gegangen.

b) Hängt direkt mit 1 zusammen: Ich habe die bereits vor Beginn der Partie bestehenden Strukturen am Brett komplett negiert, und weder in meine Planung noch in meine Verhandlungen miteinbezogen. Und weit schlimmer: ich habe, als bereits offensichtlich war, welche Richtung das Spiel nehmen wird, immer noch geglaubt, dass ich hier was bewegen kann, in einer Richtung, in der es nix zu bewegen gab.
Axel, André und ich hatten genau eine Chance, in dieser Partie groß zu werden: wir hätten von Beginn an bedingungslos zusammenspielen müssen, dann hätte das hier vielleicht interessant werden können.

Leider haben André, Axel, Frank und ich uns die ersten Spieljahre darauf verlegt, Diplomacy zu spielen, anstatt den Gegebenheiten entsprechend adäquat zu reagieren, und an einem Strang zu ziehen. Spricht für unser Vertrauen in die Partie und unsere Einstellung zu dem Spiel im Allgemeinen, spricht gegen unsere Menschenkenntnis. Dumm für uns, wie zu erwarten haben wir dadurch den Weg für Mark, Sascha und Burkhard freigespielt.

Kein Vorwurf an F/Oe/I, jedenfalls nicht, was das Diplomacy angeht. Plätze 1-3 zeigen zumindest, dass sie effizient waren.

Gratulation jedenfalls an Mark, Sascha und Burkhard und an Arne, der einen wirklich soliden und pünktlichen Spielleiter gegeben hat.